Jürgen Kluckert ist leider am 16. August 2023 verstorben, aber seine Stimme wird noch sehr lange als die von Benjamin Blümchen, Mr. Krabs und Morgan Freeman sowie Chuck Norris weiterleben.
Seine warme, tiefe und sonore Stimme ist in über 2500 Film- und Fernsehrollen zu hören, hierzulande aber vor allem mit Morgan Freeman verknüpft. Von fast ähnlichem Weltrang ist ebenfalls eine tierische Rolle. Über 20 Jahre lieh Jürgen Kluckert in „SpongeBob Schwammkopf“ (1999-) dem geldgierigen Krustentier Mr. Krabs seine Stimme. Der Betreiber der Burgerbude Krosse Krabbe ist nicht der einzige Krebs in Kluckerts Karriere: In 270 Episoden „Dallas“ synchronisiert er Darsteller Steve Kanaly als Rinderzüchter Ray Krebbs. Als Feststimme von James Brolin kennt man Jürgen Kluckerts warmes Timbre zum Beispiel als Erzähler von „Sweet Tooth“ (2021-).
Jürgen Kluckert arbeitete nach seiner Schauspielausbildung in der DDR auch als Synchronsprecher für viele DEFA-Filme. Im Mai 1980 flüchtete er in die BRD – mit nicht viel mehr als einer Besuchserlaubnis, seinen Zeugnissen und ein paar Unterhemden. Dort hatte man nicht gerade auf ihn gewartet – doch seine Hartnäckigkeit setzte sich durch. Jürgen Kluckert bekam erste kleine Synchronrollen und mauserte sich schnell zu einem der erfolgreichsten Synchronsprecher der BRD, die sich nach 1990 auch auf das Gebiet der ehemaligen DDR ausbreitete. Sein Sohn Tobias Kluckert ist die deutsche Stimme von Bradley Cooper, Joaquin Phoenix, Seth Rogen und Gerard Butler. Auch seine anderen Söhne Fabian und Sebastian sind als Sprecher tätig.
Hier das exklusive Media-Paten Interview mit Jürgen Kluckert:
Törööö! Wer kennt ihn nicht, den lieben Elefanten Benjamin Blümchen? Wer hat früher nicht seine Kassetten oder CDs gehört? Zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung dieses Blogbeitrages feierte Benjamin Blümchen einen 40igsten Geburtstag. Seit 1977 begeistert der Elefant Kinder und auch Erwachsene, die sich das Kind-sein erhalten haben. Und die Hälfte dieser Zeit leiht ihm Jürgen Kluckert seine Stimme. Doch war es damals nicht ein heikles Unterfangen, eine solch ikonische Kinderfigur mit einem neuen Sprecher zu versehen? Zumal sie durch das Medium des Hörspiels rein durch ihre Stimme als solche erkennbar war?
Hier hören wir Edgar Ott als Benjamin Blümchen:
Hier hören wir Jürgen Kluckert als Benjamin Blümchen:
Konntet ihr einen Unterschied heraushören? Also ich halte die Wahl für eine ausgesprochen gute. Was sich im Vergleich zu den älteren Folgen jedoch geändert hat, ist die Sprechgeschwindigkeit von Benjamin Blümchen.
Die Kinder sind heute pfiffiger als damals
Also muss auch Benjamin Blümchen in den modernen Zeiten einen Stoßzahn zulegen und ein bisschen schneller sprechen. Kleiner Fakt am Rande: in einer Forschungsarbeit der Bundesstelle für politische Bildung wurde erläutert, warum die Hörspielreihe Benjamin Blümchen das Pradikät "besonders wertvoll" nicht verdient hätte. Politikwissenschaftler Gerd Strohmeier stellt folgende Botschaften fest:
Die "richtigen" politischen Positionen bzw. Verhaltensweisen sind ökologisch, postmaterialistisch, basisdemokratisch, kritisch, zivilcouragiert, pazifistisch, sozial, antikapitalistisch, egalitär, tendenziell anarchisch bzw. antistaatlich, antihierarchisch, antiautoritär und antikonservativ; mit anderen Worten: "links" der
politischen Mitte (linksliberal bis linksalternativ).
Der ganze Artikel kann hier nachgelesen werden: Politik bei Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg.
Hier ein Auszug aus der Folge „Benjamin Blümchen als Gespenst“ – mit Jürgen Kluckert als Benjamin Blümchen – zu Beginn hören wir Sprecherin Gisela Fritsch (ehemalige Stimme von Susan Sarandon) als Karla Kolumna. Gisela Fritsch verstarb leider 2013, sie war verheiratet mit dem Synchronsprecher Joachim Pukaß. Ihre gemeinsame Tochter Melanie Pukaß (Stimme Hale Berry)ist ebenfalls Synchronsprecherin.
Jürgen Kluckert in: Benjamin Blümchen als Gespenst:
Wie viele Liegestütze schaffst du? Chuck Norris schafft alle - denn er kann bis unendlich zählen!
Jürgen Kluckert synchronisierte den Mann, der alles kann, selbst 20 % auf Tiernahrung! In seiner Zeit als Airforcesoldat im Koreakrieg Anfang der sechziger Jahre beschäftigte sich Chuck Norris das erste Mal mit Kampfkunst. Über seine Profession lernte er bei diversen Wettkämpfen Bruce Lee kennen, der ihm erste kleine Rollen anbot. Seit den Siebzigern ist Norris als Schauspieler tätig, in den Achtzigern feierte er seine größten Kinoerfolge: "Missing in Action", "Delta Force" oder "Die Feuerwalze". Seinen Ruhm zementieren konnte er schließlich in der Serie „Walker, Texas Ranger“ (1993-2001). Seine Rollen haben es nicht so mit Worten. Norris wird eher als Mann der Tat besetzt. Privat ist er allerdings ein erzkonservativer evangelikaler Christ. Norris unterstützt regelmäßig republikanische Hardliner im Präsidentschaftswahlkampf, lehnt die Evolutionstheorie strikt ab und setzt sich für gesunde Ernährung an Schulen ein. Und er schreibt Bücher über mentale Stärke. Um seine Filmrollen herum hat sich seit Mitte der 00er Jahre ein Fankult entwickelt: die Chuck Norris Facts. Kurzwitze, die seine angebliche physische und mentale Überlegenheit persiflieren. In unserem Blogbeitrag zu den Chuck Norris Witzen haben wir die besten Facts von seiner Synchronstimme Jürgen Kluckert einsprechen lassen.
Im Folgenden Clip aus „Delta Force“ (1986) zeigt Chuck Norris, wo der Haken hängt. Auch wenn Jürgen Kluckert in den Filmen von Norris nicht so viel Sprechanteil hat, sehenswert ist der überkandidelte Actionklamauk allemal: Oder haben sie noch was vor?
Ausschnitt Jürgen Kluckert als Chuck Norris "Delta Force" (1986):
Er ist der geldversessene Inhaber der Krossen Krabbe: Eugene H. Krabs! Als Vorgesetzter von Spongebob Schwammkopf und Thaddäus Tentakel durch seinen autoritären Führungsstil berüchtigt, zeigt er gegenüber seiner Tochter Perla (ein Pottwal) auch mal seine sensible Seite. Keinen Spaß versteht er, wenn es um Geld geht oder darum, das Rezept der leckeren Krabbenburger geheim zu halten. Jürgen Kluckert spricht die kapitalistische Südeekrabbe seit dem deutschen Serienstart im Jahr 2002. In folgendem kurzen Ausschnitt hat sich die deutsche Synchronisation einen kleinen Verweis auf die zweite Trickstimme von Jürgen Kluckert erlaubt (der Fliegende Holländer wurde von Han Teuscher gesprochen, der 2015 verstarb):
Mr. Krabs ist Benjamin Blümchen – in diesem kurzen Videoausschnitt aus der Serie „Spongebob Schwammkopf“:
Also eigentlich geht das gar nicht!
Jürgen Kluckert ist die Stimme von Morgan Freeman – aber nicht die einzige. Er teilt sich die Synchronarbeit mit Kollege Klaus Sonnenschein. Wie kommt es, dass zwei Sprecher ein und denselben Schauspieler synchronisieren? Jürgen Kluckert synchronisiert Freeman bereits seit dem Film „Der Augenzeuge“ (1981), Klaus Sonnenschein das erste Mal in „Die Verurteilten“ (1994). Bis 1994 War Kluckert als seine Feststimme gesetzt, doch dann kam es bei einer Produktion zu zeitlichen Engpässen. Wie uns Jürgen Kluckert im Interview verrät, konnte er den Familienurlaub nicht verschieben und die Produzenten wollten sich nicht auf seine Terminvorschläge einigen. So kam es wohl zur Besetzung von Klaus Sonnenschein. Eine pragmatische Entscheidung? Seit 1994 teilen sich die beiden Schauspieler jedenfalls die Synchronarbeit, wobei Klaus Sonnenschein bisher auf das höhere Sprechkonto kommt (Batman-Trilogie, Die Unfassbaren).
Hier hören wir Jürgen Kluckert als Morgan Freeman in „Abgang mit Stil“ (2017) – an der Seite von Jürgen Thormann (als Stimme von Michael Caine):
Hier hören wir Klaus Sonnenschein als Stimme von Morgan Freeman als Nelson Mandela in „Invictus – Unbezwungen“ (2009):
Doch Jürgen Kluckert hat seinen ehemaligen Kollegen, den Synchronsprecher Edgar Ott, nicht nur als Benjamin Blümchen beerbt, sondern auch als Earl Sinclair. Der Megalosaurus ist das Familienoberhaupt in der Puppenserie „Die Dinos“. Die von Muppets-Erfinder Jim Henson und später von seinem Bruder Brian produzierte Serie kam auf 4 Staffeln. In den ersten zwei ist Edgar Ott als Earl zu hören. Nach dessen Tod ab Staffel drei übernahm Jürgen Kluckert. Auch hier fällt es äußerst schwer, Unterschiede herauszuhören. Ich kann mich zumindest auch im Nachhinein nicht erinnern, damals als Kind einen Unterschied der Stimmen gehört zu haben, als die Serie von 1992-1995 das erste Mal im deutschen Fernsehen lief.
Kleiner Fakt am Rande: in jedem Dinosaurier steckt ein echter Schauspieler, auf dessen Kopf die Mechanik für das Saurier-Gesicht befestigt ist. Die Mimik wird von einem zweiten Puppenspieler live bedient. Eine Hand steuert den Mund, die anderen Finger der zweiten Hand bewegen die Mimik der Augen, Augenbrauen und Backen. In keiner anderen Produktion wurde mit so viel Liebe und Aufwand versucht, Dinosaurier wieder zum Leben zu Erwecken. Die Show ist aufgrund ihres subtilen Humors und der Detailverliebtheit – vor allem durch den Verzicht auf Computereffekte - so gut wie überhaupt nicht gealtert.
Hier sehen und hören wir Edgar Ott als Earl Sinclair:
Und hier sehen wir Jürgen Kluckert als Dinovater Earl (sein Boss Richfield wird übrigens wieder von Hans Teuscher synchronisiert, der auch den Fligenden Holländer in Spongebob Schwammkopf sprach):
Seit dem Ensemble-Drama „Grand Canyon - Im Herzen der Stadt“ (1991) synchronisierte Jürgen Kluckert Danny Glover in über 40 Spielfilmen. Nur nicht in der „Lethal Weapons“-Reihe – hier wurde Glover von Uwe Friedrichsen synchronisiert. Sein markantes Timbre leiht Jürgen Kluckert dem US-amerikanischen Schauspieler unter anderem in „Jumanji - The Next Level“ (2019) als ehemaliger Dinerbesitzer Milo Walker, der zusammen mit seinem früheren Geschäftspartner und dessen Enkel in die Welt eines Brettspiels gesogen wird. Für das Musikdrama „Dreamgirls“ (2006) vertonte Jürgen Kluckert ihn als den Manager Marty Madison, im romantischen „Beyond the Lights“ (2014) als Captain David Nicol. Als Baumarktbetreiber Hank Thompson entdeckt er in Jim Jarmuschs „The Dead Don't Die“ (2019) die ersten Spuren der Untoten. In „Sorry to Bother You“ (2018) war Kluckert als Mentor Langston zu hören. In der surrealistischen Komödie mimte Danny Glover den älteren Arbeitskollegen, der dem schwarzen Telefonverkäufer Cash beibringt, seine Stimme „weiß“ zu verstellen.
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